von Marie-Chantal Tajdel

erschienen in der Oldenburgischen Volkszeitung am 01.12.2017

Ausstellung in der Lohner Wassermühle

Lohne. Die Figur ragt in die Höhe. Trotzdem ist es keine hoch aufgerichtete, stolze Figur. Vielmehr wirkt sie in sich gekrümmt, verzehrt, schmerzhaft. Das mag auch an ihrem Äußeren liegen. Das Holz ist rau, zeigt Risse und Kanten, Sägespuren und Tropfen, die über das Äußere laufen. Manche Stellen sind geschwärzt, andere wiederum Weiß bemalt. Expressiv bearbeitet Gunther Gerlach das Holz, aus dem die Skulpturen werden. Das Holz ist es auch, das sich wie ein roter Faden durch die Ausstellung von Gunther Gerlach und Katharina Albers zieht, die am heutigen Freitag um 20 Uhr im Kunstverein Wassermühle in Lohne eröffnet wird.

Gunther Gerlach arbeitet nur mit Holz. Dabei steht bei ihm das Material nicht im Vordergrund wie bei anderen Bildhauern, die Holzstrukturen in ihr Werk einbauen oder darauf aufbauen. Gunther Gerlach macht das nicht. Seine Figuren wirken wie ein Fundstück vom Strand: vergänglich, rau, angegriffen. Dem Bildhauer geht es um Form, Gestalt und Aussagen und nur in zweiter Linie darum, welche Holzsorte er verwendet.

Um das Holz, vielmehr den Ursprung, nämlich den Wald geht es auch in den Arbeiten der gebürtigen Vechtaerin Katharina Albers. Seit 2011 beschäftigt sich die freischaffende Künstlerin mit der Technik der Lithografie, einer aufwändigen Drucktechnik. Bei Wanderungen im Wald entstehen ganz subjektive Bilder, die sie in ihrem Atelier in Berlin-Moabit umsetzt. In ihren Lithografien zeigt sie den Wald mal düster, dann licht, mal verwunschen, dann kompakt, mal wunderlich, dann verschlungen und immer ein wenig abstrakt.

Der Wald als urdeutsches Thema steht für Kraft, Mythologie und Märchen und gleichzeitig auch für Geborgenheit, Geheimnis und Gefahr. Das ist es auch, was die Künstlerin an dem Thema Wald interessiert. „Es ist der spannendere Ort, der gegen alles Digitale und Zivilisierte steht“, sagt sie. Als Naturraum sei er nicht wirklich beherrschbar, sondern wild und rau. Aus den Wald-Reihen entstanden ist eine neue Serie, mit der Katharina Albers sich seit einiger Zeit beschäftigt: „Organism“. In Lohne zeigt sie daraus den Zyklus „Growing“. In dieser neuen Serie beschäftigt Katharina Albers sich mit der Mikroebene des Pflanzlichen. In den zehn Bildern „Growing“ zeigt sie einen wachsenden Organismus, der im Laufe der Bildfolge zwar immer komplexer wird, aber abstrakt und unkonkret bleibt. Das ist ein spannender Prozess, der sich wie eine Erzählung vor dem Betrachter auftut.

Ganz ähnlich geht es dem Betrachter mit den Skulpturen von Gunther Gerlach. Sie zeigen ebenfalls keine realistischen Darstellungen, sondern etwas, das auch menschliche Figur sein könnte. Und das beabsichtigt der Bildhauer aus Bremen durchaus. Die geschlagene, aufgerissene Oberfläche solle an das menschliche Leid erinnern, sagt er. Höchstens entfernt sollen seine Skulpturen an die einfachen Gestalten in Kirchen oder an Ikonografien aus der christlichen Darstellung erinnern.

Gunther Gerlach bezieht sich bei den Holzskulpturen, die auch in Lohne zu sehen sein werden, auf einen Satz des Dichters Paul Celan: „… am östlichen Fenster erscheint ihm zur Nachtzeit die schmale Wandergestalt des Gefühls.“ Grafisch und kantig wirken die Skulpturen des Bildhauers und scheinen wie ein Mahnmal aufzuragen. Doch eine politische Aussage will er mit seinen Werken nicht tätigen. Vielmehr bezieht er sich auf das Gefühl des Menschen. Aber Gefühl versteht er in Bezug auf seine Arbeiten nicht im Sinne von geschmeidig und weich, sondern eher von gebrochen und aufgerissen.

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